Klassische Konditionierung in der Hundeerziehung

Hund lernt "sitz", durch Konditionierung
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4 Minuten
Astrid Kurbjuweit
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Die klassische Konditionierung ist ein einfaches Lernprinzip, das bei Tieren und Menschen Anwendung findet. Entdeckt wurde es an Hunden. Es erklärt viele unabsichtliche Lernprozesse, kann aber auch bewusst eingesetzt werden, um Emotionen und Reflexhandlungen zu beeinflussen. Es wird auch als Signallernen oder Reiz-Reaktionslernen bezeichnet. Dabei werden keine neuen Verhaltensweisen gelernt, sondern es wird gelernt, bekannte Verhaltensweisen auf einen neuen Hinweisreiz, auf ein neues Signal hin auszuführen. Zum Beispiel lernt ein Hund, sich dann hinzusetzen, wenn sein Besitzer „Sitz“ sagt.

Geschichtlicher Hintergrund der klassischen Konditionierung

Das Prinzip der klassischen Konditionierung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eher zufällig vom russischen Physiologen Pawlow entdeckt. Er hatte eigentlich den Zusammenhang von Speichelfluss und Verdauung an Hunden untersuchen wollen. Er ging dabei von der Beobachtung aus, dass Hunde reflexartig Speichel produzieren, sobald Futter in ihr Maul gerät. Dies brauchen sie nicht zu lernen, diese Reaktion ist angeboren. Auf das Läuten einer Glocke hingegen reagieren Hunde normalerweise nicht mit Speichelproduktion. Wenn jetzt aber jede Futtergabe von einem Glockenläuten angekündigt wird, dann produzieren die Hunde nach einigen Wiederholungen schon Speichel, wenn nur die Glocke läutet, auch dann, wenn gar kein Futter da ist. Eine reflexartige Handlungsweise wie die Speichelproduktion ist also durch Lernen beeinflussbar.

Die Pawlowschen Versuche beeinflussten eine ganze Generation von Psychologen. Man fand heraus, dass alle möglichen Verhaltensweisen durch klassische Konditionierung beeinflusst werden können, wobei das Lernprinzip nicht nur für Hunde, sondern auch für andere Tiere und Menschen Gültigkeit besitzt.

Beispiele für klassische Konditionierung

Bei Menschen löst das Lieblingsessen normalerweise keine Übelkeit aus. Wenn jetzt aber kurz nach dem Essen des Lieblingsessens Übelkeit auftritt, zum Beispiel aufgrund einer Infektionserkrankung, dann wird der Zusammenhang gelernt und später ruft schon der Anblick des (ehemaligen) Lieblingsessens Übelkeit hervor. Diese Konditionierung ist auch dann wirksam, wenn der Betroffene um den Zusammenhang mit der Infektion weiß. Konditionierungsprozesse dieser Art spielen eine wichtige Rolle beim Vermeiden ungenießbarer oder giftiger Pflanzen, die nicht für die Ernährung geeignet sind.

Hunde reagieren normalerweise nicht mit Angst, wenn einer ihrer Menschen Schuhe anzieht. Wenn dieses Schuhe-Anziehen aber immer ein Signal dafür ist, dass der Hund jetzt alleine gelassen wird, dann wird er lernen, schon auf das Anziehen der Schuhe mit Angst zu reagieren.

Viele Hunde reagieren mit Angst auf Gewitter. Wenn jetzt während eines Gewitters ein anderer Reiz auftritt, kann es vorkommen, dass der Hund lernt, alleine auf diesen Reiz mit Angst zu reagieren. Auf diese Weise kann Angst vor allen möglichen und unmöglichen Dingen gelernt werden.

Umgekehrt reagieren die meisten Hunde mit Freude und Begeisterung, wenn es raus zum Spaziergang geht. Wenn nun der Hundehalter immer nach der Hundeleine greift, bevor es losgeht, dann kann schon das Geräusch, das die Leine beim Anfassen macht, die Freude und Begeisterung auslösen, auch dann, wenn der Hundehalter sie in dem Moment vielleicht nur auf die Seite legen wollte.

Hunde verstehen im Allgemeinen nicht die menschliche Sprache. Der Sinn des Wortes „Sitz“ ist zum Beispiel einem Welpen völlig unbekannt. Trotzdem lernen fast alle Hunde im Laufe ihres Lebens, auf das Wort „Sitz“ mit hinsetzen zu reagieren. Im Laufe dieses Lernprozesses wird das Hinsetzen des Hundes, das dieser aus anderen Gründen tut, mit dem Wort „Sitz“ verknüpft, bis der Hund den anderen Grund nicht mehr braucht und sich alleine aufgrund des Wortes „Sitz“ hinsetzt.

Anwendungen klassischer Konditionierung in der Hundeerziehung

Für jedes neue Kommando, das ein Hund lernt, muss er zunächst eine Verknüpfung herstellen zwischen dem Wort oder Sichtzeichen und der von ihm erwarteten Handlung. Dies geschieht durch klassische Konditionierung. Zum Beispiel kann jeder Hund bei Fuß gehen, Welpen tun das ganz von alleine. Durch die Verknüpfung des bei-Fuß-Gehens mit dem entsprechenden Kommando lernt der Hund, es dann zu tun, wenn das Kommando gegeben wird. Dabei löst das Kommando direkt die entsprechende Reaktion aus, ohne dass der Hund zu verstehen bräuchte, was es bedeutet. Wenn man also immer wieder „bei Fuß“ sagt, während der Hund bei Fuß geht, dann wird der Hund klassisch konditioniert, sodass nach einiger Zeit schon das Kommando das bei-Fuß-gehen auslöst. Dieser Lernprozess kann durch Erhöhung der Motivation, also durch Belohnungen, verkürzt werden, das Prinzip ändert sich dadurch nicht.

Hunde lernen schneller, wenn sie für korrekte Reaktionen belohnt werden. Gut wirksame Belohnungen sind zum Beispiel Leckerlies. Diese sind in großer Menge nicht so gut für den Hund. Um sparsamer damit umgehen zu können und den Hund trotzdem zu belohnen, kann die Gabe von Leckerlies durch klassische Konditionierung mit anderen Reizen verknüpft werden, die dann alleine die positiven Reaktionen des Belohnt-Werdens auslösen. Ein solcher anderer Reiz kann zum Beispiel ein Geräusch sein, wie ein mit-der-Zunge-schnalzen. Das bekannte Clicker-Training beruht auf diesem Prinzip.

Systematische Desensibilisierung

Alles, was durch klassisches Konditionieren gelernt wurde, egal ob beabsichtigt oder zufällig, kann auch wieder verlernt werden. Dies kann notwendig sein, wenn ein Hund zum Beispiel Ängste oder Aggressionen erlernt hat. Bei der systematischen Desensibilisierung wird dem Hund gezeigt, dass seine Angst grundlos ist, dass die angstauslösende Situation in Wirklichkeit völlig harmlos ist, ihm nichts passiert. Wenn ein Hund also zum Beispiel gelernt hat, mit Angst zu reagieren, wenn sein Mensch die Schuhe anzieht, dann kann er diese Angst wieder verlernen, indem er immer wieder gezeigt bekommt, dass sein Mensch ihn auch mit Schuhen nicht verlässt oder sogar mit ihm spazieren geht.

Die klassische Konditionierung ist eine der großen Lerntheorien. Sie ist nicht nur für Menschen und Hunde, sondern ziemlich universell gültig. Sie beruht auf den Grundannahmen der behavioristischen Psychologie. Eine Einführung in die Theorie kann man bei Wikipedia nachlesen, die wissenschaftliche Literatur zur klassischen Konditionierung und ihren Anwendungen füllt Bibliotheken.

Lernprinzipien: Klassische Konditionierung

Klassische Konditionierung ist ein Lernprinzip von vielen. Es ist immer dann wichtig, wenn es darum geht, bekannte Verhaltensweisen in neuen Situationen zu zeigen, wobei es sich oft um Verhaltensweisen handelt, die willentlich nicht beeinflussbar sind. Zum Beispiel kann kein Hund und auch kein Mensch aktiv beschließen, Angst zu haben oder nicht zu haben, durch klassische Konditionierung wird die Angst aber beeinflussbar.

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Beitragsbild:Vincent Scherer/Shutterstock