Impfung für den Hund
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6 Minuten
Astrid Kurbjuweit
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Die Frage, ob man seinen Hund impfen lassen soll, wird immer wieder kontrovers diskutiert. Genau wie bei der Frage, ob man seine Kinder impfen lassen soll, dreht es sich dabei hauptsächlich um die Frage des persönlichen Erkrankungsrisikos, verglichen mit dem Risiko eines Impfschadens. Hier soll zusätzlich ein weiterer Aspekt der Impfproblematik beleuchtet werden, nämlich die Frage danach, wie die Häufigkeit bestimmter Krankheiten in der Population vom Anteil geimpfter Individuen abhängt. Oder anders, wie vorteilhaft es doch für mich ist, wenn alle anderen geimpft sind.

Das individuelle Erkrankungsrisiko

Die Antwort auf die Frage, ob ich mich, mein Kind oder meinen Hund impfen lassen soll, hängt natürlich davon ab, für wie hoch ich das Risiko halte, dass wir von der in Frage stehenden Krankheit überhaupt betroffen sein könnten. Sie hängt auch davon ab, wie schwer die Krankheit wahrscheinlich ausfallen wird, falls man erkrankt. Und natürlich hängt sie davon ab, für wie gravierend man mögliche Impfschäden und -komplikationen einschätzt und für wie wahrscheinlich man ihr Eintreffen hält. Entscheidungen werden dabei sehr häufig auf subjektive Wahrnehmungen gegründet, nicht so sehr auf objektive Daten, denen häufig misstraut wird.

Von diesen grundsätzlichen Fragen zu unterscheiden sind Fragen nach der Häufigkeit von Impfungen, also nach den Auffrischungsimpfungen, und nach der Verwendung bestimmter Impfstoffe, also danach, welchem Hersteller man den Vorzug gibt. Diese Fragen stellen sich erst, nachdem man sich grundsätzlich für die Impfung entschieden hat. Sie sollten für die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen die Impfung keine Rolle spielen.

Das Beispiel Parvovirose

Die Parvovirose ist eine hochansteckende Virusinfektion des Hundes. Hier wird die Krankheit ausführlicher beschrieben. Sie führt in sehr vielen Fällen zum Tod, Überlebende behalten häufig bleibende Schäden zurück, an denen viele auch später noch sterben. Wenn also irgendwo Parvoviren in der Umgebung sind, dann senkt das die Lebenserwartung gleich dramatisch. Die Ausscheidungen erkrankter Hunde sind hochinfektiös, ein Ausbruch von Parvovirose führt also schnell zur Entwicklung einer Epidemie. Solche Epidemien haben seit der Entwicklung von Impfstoffen gegen Parvovirose nicht mehr stattgefunden.

Allerdings gibt es immer wieder vereinzelte Ausbrüche von Parvovirose, an denen dann zumeist Welpen erkranken und in den meisten Fällen auch sterben. Fast immer sind alle Welpen eines Wurfs betroffen. Parvovirose kann nur symptomatisch behandelt werden, man kann erkrankten Tieren also im Grunde nicht helfen. Den besten Schutz vor der Erkrankung bietet die vollständige Immunisierung, also die Impfung der Mutterhündin noch vor der Trächtigkeit und die möglichst frühe Impfung der Welpen. Garantien gibt es dabei keine. Aber geimpfte Tiere werden deutlich seltener krank, und die, die dann doch noch erkranken, zeigen einen milderen Verlauf der Krankheit und eine höhere Überlebensrate.

Zusammengefasst heißt das, Impfen ist im Grunde das einzige, was man tun kann, die Impfung hilft nicht hundertprozentig, und wie alle Impfungen hat auch die gegen Parvovirose natürlich Nebenwirkungen. Zusätzlich ist die Krankheit selten geworden, wahrscheinlich wird man also nie in Kontakt mit ihr kommen. Soll man seinen Welpen jetzt impfen oder nicht?

Tierärzte sagen, Parvoviroseimpfung ist ein Muss, Impfgegner sagen, auch diese Impfung schadet mehr als sie nützt. Was ist nun richtig?

Zur Beurteilung der Situation muss man bedenken, dass das Risiko, mit Parvovirose in Kontakt zu kommen, nur deshalb so niedrig ist, weil so viele Hunde geimpft sind und die Krankheit deshalb nicht weiterverbreiten. Oder anders, die Frage nach der Impfung stellt sich nur deshalb, weil die anderen geimpft sind. Wenn die anderen nicht geimpft wären, dann wäre die Impfung natürlich das kleinere Übel, weil die Erkrankung dann häufig wäre.

Wichtig ist also vor allem, dass die anderen geimpft sind. Sobald das der Fall ist, kann man selbst verzichten. Dummerweise gilt natürlich für die anderen dasselbe. Wer nicht impft, profitiert trotzdem von der Immunität der anderen.
Mein Hund bleibt nicht deshalb gesund, weil er geimpft ist, sondern vor allem, weil er keine Gelegenheit zur Ansteckung mehr hat.

Wer in dieser Situation auf die Impfung verzichtet, handelt egoistisch. Das Risiko der Impfung tragen die anderen, die Vorteile nimmt man für sich selbst in Anspruch. Den eigenen Welpen auch impfen zu lassen bedeutet, Vorteile und Nachteile gleichmäßig auf alle zu verteilen, den eigenen Anteil am Risiko mit zu tragen. Die Frage nach der Impfung ausschließlich auf eine Abwägung des individuellen Erkrankungsrisikos mit möglichen Impfschäden zu reduzieren, bedeutet also, den wichtigsten Aspekt der Situation außer Acht zu lassen. Denn jeder profitiert davon, dass die anderen geimpft sind, egal, ob man selbst geimpft ist oder nicht.

Überspitzt könnte man sagen, wer nicht impft, handelt egoistisch, wer impft, bedenkt das Gemeinwohl, von dem schließlich alle profitieren, mit. Soll man seinen Welpen jetzt impfen lassen oder nicht?

Das Erkrankungsrisiko ist auch davon abhängig, wieviele Menschen an dieser Stelle die egoistische Entscheidung treffen. Wenn zuwenige impfen lassen, dann werden wieder mehr Hunde erkranken und die Viren werden sich wieder stärker verbreiten. Wenn möglichst viele Hunde geimpft sind, dann wird die Parvovirose mehr oder weniger in Vergessenheit geraten.

Ein zweites Beispiel: Die Tollwut

Die Tollwut ist eine Erkrankung, die alle warmblütigen Tiere, also auch Menschen befallen kann und normalerweise den Tod zur Folge hat. Hunde und andere Tiere werden routinemäßig gegen Tollwut geimpft, mit dem Erfolg, dass diese Krankheit zumindest in Mitteleuropa extrem selten geworden ist. Anders ausgedrückt, im Unterschied zur Parvovirose betrifft die Tollwut nicht nur den Hund, sondern auch den Hundehalter und alle Menschen. Sie ist seltener als die Parvovirose, bedroht aber auch das Leben der Menschen. Die Krankheit ist so selten, dass man vermutlich nie in Kontakt mit ihr kommen wird, wenn aber doch, dann ist nicht nur das Leben des Hundes, sondern auch das eigene akut bedroht. Soll man den Hund gegen Tollwut impfen? Alle anderen sind ja geimpft, es macht also (fast) keinen Unterschied. Es sei denn, diese anderen denken genauso.

Noch ein Beispiel: Borreliose

Die Borreliose ist eine schwere Erkrankung, die sowohl Menschen als auch Hunde betreffen kann. Sie wird nicht von Mensch zu Mensch oder von Hund zu Hund übertragen, sondern durch Zecken verbreitet. Anders als Menschen kann man Hunde gegen Borreliose impfen, das wird häufig als Zeckenimpfung verkauft. Tatsächlich ist es keine Impfung gegen Zecken, die auch noch andere Krankheiten übertragen können und sich auch an geimpften Tieren festbeißen. Borreliose ist behandelbar, Todesfälle sind eher selten, schwere, chronische Verläufe dagegen häufig. Borreliose ist also weniger gravierend als Parvovirose oder Tollwut, aber immer noch eine schwere Krankheit.

Da die Borreliose nicht von Tier zu Tier oder von Tier zu Mensch übertragen wird, nützt es auch niemandem, wenn andere geimpft sind. Das unterscheidet die Borreliose-Impfung von der Parvovirose- oder Tollwutimpfung. Man kann seinen Hund also nur impfen lassen, um die individuelle Erkrankung des Hundes zu vermeiden. Dies ist also die Situation, die von Impfgegnern bevorzugt beschrieben wird. Hier kann jeder selbst entscheiden, ob er das Erkrankungsrisiko auf sich nehmen möchte, oder ob ihm die Impf-Risiken zu hoch erscheinen. Die individuelle Entscheidung betrifft nur einen selbst, nicht andere. Man ist von der Entscheidung anderer nicht mit betroffen.

Die Borreliose-Impfung hat wie alle anderen Impfungen auch ein gewisses Risiko von Nebenwirkungen. Sie schützt auch nur vor Borreliose, nicht vor anderen Krankheiten. Ein wirksamer Zeckenschutz wird durch die Impfung nicht unnötig gemacht, da Zecken noch alle möglichen anderen Krankheiten übertragen können. Wenn man Zeckenstiche vermeidet, braucht man auch keine Impfung. Umgekehrt müssen auch Geimpfte Zeckenstiche vermeiden, um gesund zu bleiben. Hier und hier kann man sich über Zecken und die Vermeidung von Zeckenstichen bei Mensch und Tier informieren. Die Frage, ob man seinen Hund gegen Borreliose impfen sollte, hat also eine andere Qualität als die Frage, ob man ihn gegen Parvovirose oder Tollwut impfen sollte.

Individueller Vorteil und Gemeinwohl

Es gibt Impfstoffe gegen weit mehr als die drei genannten Beispiel-Krankheiten. Bei den meisten Krankheiten, gegen die geimpft werden kann, handelt es sich um solche, die ein hohes Infektionsrisiko tragen, also immer auch das Risiko einer Epidemie mit sich bringen. Wann immer das der Fall ist, ist die Entscheidung für oder gegen die Impfung keine rein private Angelegenheit, sondern betrifft immer auch alle anderen mit. Umgekehrt ist man immer mit betroffen von den Entscheidungen der anderen Hundehalter. Wenn alle anderen Hunde geimpft sind, dann hat der eigene fast kein Erkrankungsrisiko mehr, egal um welche Infektionskrankheit es gerade geht. Wenn viele andere Hunde nicht geimpft sind, steigt das Infektionsrisiko des eigenen Hundes, und unter Umständen, bei auf Menschen übertragbaren Krankheiten, auch das eigene Infektionsrisiko, an.

Das ist das Dilemma bei den meisten Impfungen. Die Nachteile, also die Möglichkeit von Nebenwirkungen und Impfschäden, bleiben individuell, davon ist immer nur das jeweils geimpfte Individuum betroffen. Die Vorteile werden dagegen von vielen geteilt. Alle profitieren von der Impfung, die Nachteile hat nur der Geimpfte selber.

Impfungen und Auffrischungsimpfungen

Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist also alles andere als einfach. Und sie muss für jede Krankheit neu getroffen werden, weil jeweils andere Argumente gelten. Wenn man sich allerdings für eine Impfung entschieden hat, dann kommen neue Fragen auf einen zu. Welcher Impfstoff, von welchem Hersteller, soll verwendet werden? Wie oft soll die Impfung aufgefrischt werden?

Man kann die Antworten auf diese Fragen seinem Tierarzt überlassen, oder sich selbst informieren, sich selbst eine Meinung bilden. Es gilt allerdings zu bedenken, dass mit Impfungen eine Menge Geld verdient wird, sowohl Tierarztpraxen als auch Pharmaunternehmen haben also ein handfestes Interesse daran, möglichst viele Impfungen zu verkaufen.

Man muss also abwägen, zwischen den eigenen Interessen, dem Gemeinwohl und dem Bemühen, sich nicht ausnutzen zu lassen. Das ist nicht einfach, die Antworten werden wohl von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen.

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Beitragsbild:Yekatseryna Netuk/Shutterstock